Aus der Ferne – Ein Einschlafmärchen

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Schatzmeister Ludovico wälzte sich in seinem Daunenbett. Seit Tagen quälte ihn etwas, er kam bloß nicht drauf, was es sein könnte. Hin und her drehte er sich zwischen den dicken Polstern und fragte sich selbst, was ihn nicht und nicht schlafen ließ. Er hatte doch an alles gedacht, oder etwa nicht? Die Spuren waren sorgfältig verwischt, der König endlich auf seiner Seite, die braven und geduldigen Bauern arbeiteten und mehrten sein Vermögen – die Bauern ... Da fiel ihm ein, wie er vor ein paar Tagen an dem riesigen Platz vorbeigekommen war, der Kutscher musste langsam fahren, weil die Bauarbeiter so fleißig arbeiteten. War es dieser fast leere Platz mit nichts als einem großen Schutt­haufen, der ihn so quälte? Warum ging das eigentlich alles so langsam? Es ärgerte ihn zu wissen, dass es noch so lange dauern würde, bis er von seiner Loge, die natürlich alle anderen (auch die des Königs, aber das wusste der noch nicht) überstrahlen würde, dieses herrliche Opernhaus würde eröffnen können.

Zu jener Zeit war es gar nicht so leicht, im Land zwischen dem Kirchenberg im Norden und dem Ebels­berg im Süden Opernhäuser oder auch ganz einfache Schlafburgen zu bauen. Allen sollte man es recht machen und viele wollten mitreden. Zwar war der König schon lange im Amt und durchaus weise, und so manche Burg hatte er auch gegen den Willen anderer errichtet – aber manchmal, da wollte er dann doch, dass sich auch andere den Kopf zerbrechen: und so kam es, dass eines Tages der alte Herzog geholt wurde, um einer Schüürii vorzustehen, wie diese neuartigen, monarchiefeindlichen Einrichtungen genannt wurden.
Der Herzog also stand vor dem Tisch, mit einem Haufen voller Burgen, die aus Bausteinen gebaut waren. Normalerweise durfte er ja selbst und nach seinen Ideen mit den Bausteinen spielen. Und nun fand er sich in einer doch recht eigentümlichen Rolle wieder: Such doch mal die beste Burg aus und vergiss bloß nicht auf das Grün in der Mitte! So hatte die Aufgabe gelautet. Der Herzog wurde in eine Kammer gesperrt und sollte erst nach zwei Tagen wieder herausgelassen werden. Ich werde alt, dachte er, und darum lassen sie mich nicht mehr selber spielen und bauen. Das, was ihm als eine ehrenvolle Aufgabe angeboten wurde, nämlich der zu sein, der die beste Burg aus allen auswählen durfte, erwies sich als heimtückische Falle. Die Burgen sahen alle irgendwie gleich aus und die Bauanleitungen waren schwer zu entschlüsseln. Als er alles vom Tisch fegen und ausrufen wollte: „Da gefällt mir aber gar nichts so richtig!“ öffnete sich die Tür, Kronprinz Klaus kam herein und sagte: „Lass mal, alter Herzog, wir machen das. Wir nehmen einfach die Burg, die wir am einfachsten nach unseren Plänen abändern können“. Gut, dachte der Herzog erleichtert, dann kann ich ja jetzt gehen und er machte sich auf in den dunklen Wald, um sich mit den sozialen Wohnbauern auf ein Schwätzchen zu treffen.

Die sozialen Wohnbauern, die waren aber gar nicht im Wald, sondern saßen in ihrer Zweizimmer Woh­nung mit Loggia und fühlten sich mal wieder unverstanden. Weit gereist waren sie und weise, und da saßen sie jetzt, irgendwie schon am Ende ihrer Laufbahn und grübelten darüber nach, was sie eigentlich falsch gemacht hatten oder – besser gesagt – was die anderen eigentlich immer falsch machten. Waren ihre Anweisungen so missverständlich, dass keiner sie umsetzen konnte? Wie oft hatten sie dem König schon geraten, doch nicht immer nur eine Burg neben die andere zu stellen, und auch mal auf die Ideen der Bürger zu hören.

Manchmal nämlich, wenn die Bürger des abends im Kerzenschein zusammen saßen, da hatte der eine oder andere ganz absonderliche Ideen, da sponnen sie gemeinsam vor sich hin, die Bürger, und erfanden die wildesten Pläne, wie sie das Königreich gestalten könnten. Aber, wann auch immer sie mit ihren Plänen vor den König und den Kronprinzen hintraten, da wiegten die beiden ihren Kopf hin und her und nach ein paar Tagen war alles wie vorher. Der Schatzmeister wurde beauftragt, seinen Kaufmann zu beauftragen und alles ging seinen gewohnten Lauf.

Ja, zu jener Zeit war es gar nicht leicht, Bürger zu sein, Bauer, König oder Kronprinz. Und Schatz­meis­ter erst! Der musste ja schließlich alles bezahlen. Kein Wunder, dass der sich immer noch herumwälzte und nicht schlafen konnte. Da ließ er aber schließlich doch den Kaufmann rufen und hielt noch ein Schwätzchen mit ihm über Kosten, Bauzeiten und Einsparungsmöglichkeiten bei den anderen Opernlogen, damit seine doch mit dem schönen gelb-schwarzen Brokat tapeziert werden könne ..., und hach, dieses Gespräch beruhigte den Schatzmeister so sehr, dass er endlich schlafen konnte.

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