Tanz die Peripherie

Tanz ist, fragt man zumindest so manchen Tanztheoretiker, die „am meisten avantgardistische“ aller Kunstformen. Das mag, wenn man dem glauben will, mit dem Umstand zu tun haben, dass sich Zeiterscheinungen als Befindlichkeiten zuallererst in den Körpern manifestieren, bevor sie überhaupt zu Reflexion und Sprache werden können. Schade eigentlich nur, dass so wenig Menschen in der Stadt daran interessiert sind, sich damit auseinanderzusetzen und selbst die intellektuell ausgestatteten Menschen das Widerstandspotential des Körpers nicht für sich zu erkennen scheinen.

Wir leben in einer traditionell körperfeindlichen Kultur, die vom Körper noch immer das am meisten wahrnimmt, was das Fei­gen­blatt verhüllen soll, der Rest scheint einerseits ephemer und andererseits trotzdem irgendwie ziemlich krank, was durch das aus allen Nähten krachende Ge­sund­heitswesen nur bestätigt werden kann. Aber die Kunstform Tanz ist auch noch aus einem anderen Grund sehr progressiv. Was die Förderpraxis angeht, ist Tanz traditionell und insgesamt eine der am wenigsten mit Geldmitteln bedachte Kunstform, und zwar in oben angedeuteter Zwiespältigkeit – sie geht einerseits schnell vorbei, ist aber trotzdem ziemlich teuer. Hin zu mehr Kon­kretisierung auf die freie Linzer Kulturszene: Es passiert heimischen, freien Künst­ler­Innen sowieso regelmäßig, dass der Sinn und Zweck der Büh­nentanzübung in Relation zu den Geld­mitteln in Frage gestellt wird, aber zusätzlich kann es auch noch leicht passieren, dass aus Sachzwängen Förderzusagen seitens der Stadt erst kurz vor der Premiere oder danach erfolgen. Tanz ist weiters so progressiv, dass das auch beim Bund passieren kann, da Produktionen nur gefördert werden, wenn vorher Zu­sagen vom Bundesland und der Stadt erfolgt sind. Und außerdem fördert aber der Bund dann auch wieder gar nicht, weil zum Beispiel nicht regelmäßig gearbeitet wird, konkret bei der jetzt anlaufenden Tanzpro­duk­tion von Monika Huemer (Premiere 02.02. im Posthof) ist es für die Förderpolitik des Bundes „keine Basis“, wenn die letzte Pro­duktion „schon drei Jahre zurück liegt“. Abgesehen davon, dass ununterbrochene Pro­duktion nicht immer ein Kriterium für Qua­li­tät sein muss, könnte ja gerade bei Frauen die Geburt eines Kindes „dazwischen gekommen“ sein. Im Zweifelsfall behält sich dann das Gre­mium vor, die Premiere zu besuchen, um da­nach doch vielleicht etwas machen zu können, heißt also wieder nach der Premiere zu fördern. Die besondere Raffinesse des Konfliktes: von Seiten des Bundes wird regelmäßige Arbeit of­fensichtlich als Kriterium für Professionalität seitens der Künst­ler­innen vorausgesetzt, während sich seitens der Stadt freie Kul­turarbeit noch immer zu einem großen Teil als Projektarbeit defi­niert, mit der KünstlerInnen eben dann wieder nicht oder wenig regelmäßig arbeiten können. Ein Konflikt, der sich beson­ders in den Bundesländern eklatant auswirkt und zu dessen Lösung von beiden Seiten dringend etwas getan werden müsste, um die freien Produktionen im Vergleich nicht mutwillig und in allen Belangen des Zusammenhangs von Qualität und Förder­mitteln hinterherhinken zu lassen – um letztenendes das „internationale Niveau“ von woanders importieren zu müssen, und es eben nicht als befruchtenden Austausch sehen zu können.

Tatsächlich finden sich, wie das auch FIFTITU% im vorletzten Jahr mit einer Ver­anstal­tungsreihe zur Prekarität untertitelt hat, viele Künstlerinnen in ihrer Arbeit nicht nur im Bereich der Avant­garde (o.ä.), sondern auf Grund höchst prekärer Arbeits­be­­din­gun­gen im Zwischen­be­reich von Avantgarde und Katas­tro­phe. So manch Tanzschaf­fen­de/r findet sich in Linz aber nicht einmal dort, sondern irgendwo zwischen Peripherie und Pampa.

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01/07

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