Underdog Donauhund

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Es braucht keine besondere Anlässe, um ein Porträt zu zeichnen. Über ein Treffen mit dem bildenden Künst­ler Wolfgang Hanghofer und den nicht notwendigerweise immanenten Zusammenhang von Kunst und Kul­tur. Oder so ähnlich: Über die Kunst und das Leben.

Fetter Farbauftrag, pastoses Skizzieren aus der Tube, rasch, üppig, expressiv, mit verschwenderischem Materialeinsatz oder in zerbrechlicher Reduktion: Als „Exorzist der Farbe“ oder „Chronist des Plötzlichen“ (Peter Baum) wurde er bezeichnet, der aus der Notwendigkeit des Augenblicks tut oder in dessen Schaf­fen nicht selten „von mal zu mal die Blitze einer angespannten, anteilnehmenden Befindlichkeit einschlagen“. Von zahlreichen Reisen bringt Hanghofer Postsäcke mit, dessen weitgereistes, grobes Leinen zerschnitten für ihn die ideale Malunterlage bildet. Das Medium ist nicht nur in diesem Sinn die Message: „Die am Boden liegenden Postsäcke werden von mehreren Seiten aus bemalt, ähnlich Plätzen, die von verschiedenen Straßen und Gassen her zugänglich sind“ (Zitate aus kunstnet.at).

Das Atelier als öffentlicher Ort, als Ort der Durchreise und Erdung nach eigenen Ge­setzen, das ist eine von mehreren Konstanten im Leben und Schaffen des bildenden Künstlers Wolfgang Hanghofers. Die Ein­heit von Kunst und Biographie wohl eine wei­tere: Ende der Siebziger Jahre geht Hanghofer für drei Jahre nach Berlin, um dort Musikwissenschaften zu studieren, vielmehr aber auch, um sich im literarischen Zen­­trum Berlin vieles anzusehen und anzuhören; und um an den öffentlichen Lese­orten und in der dortigen Beislszene vermischte Bekanntschaften von H.C. Artmann bis Anselm Glück zu machen. Zunehmend an bildender Kunst interessiert, eröffnet er nach Linz zurückgekehrt die „Raritätengalerie“ in der Walther­straße, in der er meh­rere Jahre von Reisen mitgebrachte afrikanische und indische Kunst verkauft und beginnt zu malen. Etwas später, 1982, kommt das Atelier in der Ottensheimer Straße dazu, das bis heute besteht. Bereits seit dieser Zeit veranstaltet er informelle Lesungen mit den kennengelernten Literaten und Künstlern, fünf bis zehn pro Jahr, „um für diese Kunst einen Platz der Öffentlichkeit zu schaffen“ und um, sagen wir, seinem eigenem Hanghoferschen Wesen des großzügigen künstlerischen Austauschs und des anteilnehmenden Interesses zu entsprechen.
Eine intensive Phase beginnt mit den frühen 80er Jahren, 1982 mit der Gründung der „Donauhunde“, eines wild malenden und werkenden offenen Kollektivs, das sich eben um Hanghofer und den 12 Jahre älteren, bereits erfolgreichen Robert Mittrin­ger lose gruppierte. Etwa in dieser Phase entstanden die ersten Fahnen und Roll­bilder. Das ebenfalls zum Ort der Öffentlichkeit erklärte Atelier war unter anderem Aktionsort und Sammelpunkt für „herausragende Grenzgänger“ und damit auch für Menschen und Künstler aus dem benachbarten Basagliahaus, einer Nachsorge­ein­rich­tung der hiesigen Psychiatrie­ma­schinerie. Diesbezüglich und laut Hanghofer ver­sammelten sich zu dieser Zeit „Menschen, die sich durch Bild und Text ausdrückten, in einer Hochblüte, wie ich sie später nie wieder erlebt habe“. Öffnung und frischer Wind war ohnehin an mehreren Orten zu spüren, so auch natürlich im Cafe Land­graf, wo Hanghofer sich des Nachmittags von den dort probenden Grup­pen aufpeitschen ließ, um dann zu malen; oder zur Stadtwerkstatt, wo es durch Ausstellungen oder Aktionen lose Anknüpfungspunkte gab, etwa unter anderem sein Auszeichnen der Räumlichkeiten der alten STWST mit Graphitstift. „Leider hat da auch in den Archiven nichts davon überlebt, da wurde nichts übrig gelassen, die waren mit dem Presslufthammer so brachial wie wir“. Derselbe Dunstkreis eines experimentierfreu­digen Umfeldes endete für die eher punktuell wirksamen Donauhunde aber bereits nach einem Jahr, in Gegen­überstellung zur STWST beschreibt das Hanghofer so: „Wir haben halt einfach wild gewerkt, die drüben waren professionell“.

Nichtprofessionalität im Betreiben einer Kulturstätte speist sich allerdings aus mehreren Quellen, aus einer Zusammenstellung von schwie­rigen Persönlichkeiten etwa oder im Falle Hanghofers wohl auch aus einer bestimmten Form von Energie, die mit der Ablehnung von vorgefertigtem künstlerischem Stil ebenso zu tun, hat wie mit der Nichtakzeptanz von Gruppenbildungen und ihren Eitelkeiten. Oder mit dem in der Folge langsamen Umbau von Alturfahr, bei dem systematisch Kunstoffenheit in „Kul­turinstitutionen und Zahnarzt­pra­xen“ verwandelt wurde (Aus Verachtung für eine ehemalige 68er Ge­neration, „Archi­tek­ten im Nadelstreif, die ständig ihre alten Kom­munenfotos mit lauter Nackten herzeigen“, hat er bei Ver­nissagen schon mal zum Aus­ziehen im Hier und Jetzt aufgefordert, um sich selber dann die Kleidung vom Leib zu reißen; und aus einem Gefühl der Not­wen­dig­keit „auf ein Rot zuzulaufen“). Was sich im Befremden der Vielen äußern mag, stellt sich auf der anderen, individuellen Seite Hanghofers als Nicht-Akzeptanz der kleinen Etabliertheit und als Wut über eine Stickigkeit der Provinz dar, die er 1986 genauso empfindet wie heu­te („Gerade vor 2009 soll Linz wissen, dass wir in einer wirklichen Provinz leben“, was das Zusam­men­spiel von Kulturlosigkeit und institutionalisierter Geld­vergabe betrifft), was ihn 1986 kurzerhand veranlasst hat, „wegen einer Frau“ nach Paris zu gehen. Im Ge­gen­satz zur oft bemühten heutigen Inter­nationalität be­deu­tete für Hanghofer das Zurücklassen der Provinz etwas anderes als die materielle Bedeutungssteigerung eines Sinnvakuums: Als absoluter Neu­beginn in Paris entfiel Kommunikation in dem Sinn, als Bequem­lichkeit und ge­genseitige Huldigungen entfallen sind. „Ich wurde be­freit von dem Glau­ben, etwas zu sein, eine ehrliche Um­gebung für jemanden, der schöpferisch arbeiten möchte“. In dieser Zeit entwickelt und erschafft er sich u.a. mit seiner Textreihe „Der Punkt denkt“ seinen Tresor des Denkens in der Kunst und entdeckt auf einer Lon­don­reise die Post­säcke als Bestandteil für seine weitere bildnerische Arbeit. Kunst war für Hanghofer schon im­mer ständiger Neuversuch an sich, um sich als Mensch nicht zu verschwenden, was bedeutet, gegen Etiket­tie­rung, Kunstmarkt und gegen die eigene, ein­deutige Werk­schau schöp­ferisch zu arbeiten. Verrücktheit war wohl immer eine eigene Dimension: „Man muss su­chend sein, um da was anzuschlagen, eine Verifi­zie­rung des Besten während der Arbeit gibt es nicht“. Al­lerdings gesellt sich zum inneren Ausdruck in seiner Ma­lerei heute verstärkt ein „Wirklich­keits­as­pekt als Blitz­ableiter für eine starke Erdung“, ein Ver­such, über das eigene Psychologische in der Kunst hin zu „mehreren gültigen Psychologien“ zu arbeiten.  

Hanghofer ist wahrscheinlich in mehrerlei Hinsicht ein immer wieder Weggehender und Zurückkehrender. Seit dem Jahr 2000 lebt er hier, wenngleich auch mit ausge­prägter Reisetätigkeit. Auch sein Atelier wurde in den letzten Jahren wieder ein offener und öffentlicher Ort, dieses Mal aufgrund äußerer Einflüsse. Aus Anlass des drohenden Hinauswurfes durch den Vermieter entschloss sich Hanghofer in Zu­sammenarbeit mit seiner Lebensgefährtin Renate Prammer-Guggen­berger die li­ter­arischen Lesereihen zu forcieren, „um als unabhängiger Künstler nicht immer nur als Privatperson dazustehen“. In einer unglaublichen Aktion veranstaltete er von 2003 bis 2006 jährlich et­wa 150 (!) Lesungen in seinem Atelier, sozusagen einfach so und oh­ne Geld, in einer Tradition der Einladung und des Kunsttausches. Äu­ßerer Erfolg, die Diskussion über Besucherzahlen oder herkömmliche künstlerisch definierte Qualität hatten hier so wenig Platz, wie ein herkömmliches Literatur­ver­anstaltungshaus in Umkehrung lebendiger Ort des Schaffens ist. Bekannte Autorennamen waren plötzlich ne­ben völligen literarischen Neulingen auf handgeschriebenen Pro­grammzetteln in die Stadt gepickt. „Ich habe alle eingeladen, Be­kannte und Unbekannte, Leute, die so schreiben müssen, wie ich male … und auch andere“. Nach einer lebensbedingt ruhigeren Pha­se in den letz­ten beiden Jahren wird es 2008 auch wieder Le­sun­gen geben, wenngleich auch nur 40 bis 50 (!). „Es geht um eine be­stimm­te Form von Energie, die aus einer Hal­tung des Gebens und Nehmens heraus erwächst und zunächst uneinordenbar ist“, so Han­g­hofer. Um ab­schlie­ßend eine Bemerkung der ins Atelier eingeladenen Autorin Barbara Frischmuth zu zitieren: „Ich habe mir ge­dacht, was ist denn das für ein Wahnsinniger. Des­halb habe ich zugesagt“.

Wolfgang Hanghofer, geb. 1955 in Linz, lebt u. arbeitet teilweise in Linz und Paris, studierte Musikwissenschaften in West­berlin, Visuelle Kommunikation bei Laurids Ortner an der Kunst­hochschule in Linz und arbeitete seit 1980 als autodidaktischer Maler, Grafiker und Konzeptkünstler. Während eines London­auf­ent­halts stieß er zum ersten Mal auf einen Postsack, den er kurz entschlossen mitnahm, um in der Folge expressive Städte­land­schaften in Form von Projekten zu verwirklichen. Nach dem Them­se-Projekt folgte der Berliner Zyklus, dann New York, Linz, Paris, Wien, Barcelona und Prag. Seine bekannten Punktbilder spie­geln die Philosophie des Künstlers wieder, die er in einem Schriftwerk als „Der Punkt denkt“ veröffentlichte, damit kam es zu einer Präsentation bei der documenta 9 in Kassel. Zuletzt Aus­stellungsbeteiligung im Sommer 2007 bei „black&white“ im Len­tos, im Herbst 2007 Ausstellung „Last Bag“ in der Galerie in der Schmiede in Pasching. Wolfgang Hanghofer stellte u.a. in Paris, London, Berlin und New York aus. Er betreibt seit 1982 sein Atelier in der Ottensheimerstraße 34 in Urfahr.

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01/08
FotoautorInnen: 
Reinhard Winkler

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