Aus der Ferne – ein Sommer der Ernüchterung

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Was bin ich froh, dass dieser Sommer endlich vorbei ist. Früher hätte ich mich für derartige Sätze wohl selbst verprügelt, nach dem Sommer 08 aber freue ich mich geradezu auf einen alles vernebelnden Herbst. Soviel Ernüchterung ist einfach zuviel. Gestartet war man ja recht munter, noch im Besitz eines Fahrrades zum Beispiel, das aber rasch von Ganoven gestohlen wurde. Ich solle mir doch eines um zwanzig Euro kaufen, meinte der Polizist, der meine Anzeige aufnahm, schließlich wisse man doch, dass am Bahnhof Räder gestohlen werden. Danke.
Der Sommer roch damals trotzdem noch nach Meer. Bis mein Auto Geist und Kupplung aufgab und das Geld für jedweden Urlaub verschlang. Also daheimgeblieben erwarteten mich TV-Werbespots, die mir schlagartig klarmachten, in welchem Zustand die Welt vor sich hin laboriert: Hunde haben mit Ge­lenks­problemen zu kämpfen, können aber durch das richtige Futter geheilt werden, Katzen erfreuen sich an Dampfgegartem und eine Rasierklingen-Firma verkündet mithilfe einem als Polizistin verkleideten Mo­del die Gründung einer „Style-Police“ und möchte, dass alle Männer sich glattrasieren, weil die Leser eines als Männergesundheitsmagazin verkleideten Pornoheftchens meinen, damit bessere Chancen „beim anderen Geschlecht“ zu haben.
Und flott ging es weiter mit einem Sommer, der sich zum Ziel gesetzt hatte, mich aller Illusionen zu berauben. Ich wurde aufgefordert, einen Text zu einem großen kommenden Ereignis zu verfassen – oh­ne Aussicht auf Bezahlung, dafür mit der Anweisung, auf jegliche Form von Ironie zu verzichten. Ob die­se Anweisung ironisch gemeint war, wird eines der wenigen Geheimnisse dieses Sommers bleiben, denn ich verschwitzte – leider – den Abgabetermin.
Dass eine sportliche Großveranstaltung namens „Olympische Sommerspiele Peking“ nichts anderes als eine Schande sein und werden würde, ahnte ich schon vor dem Sommer, weshalb ich mich mit einem Olympia-Schau-Boykott belegte und stattdessen Situationen wie jenen aussetzte: Ich wurde oh­ne Vorwarnung als „die junggebliebene Frau Hackl“ vorgestellt, nur einen Tag nachdem ich bemerkte, dass mein Badeanzug nicht mehr passte und ich mir aber die Anschaffung eines neuen sparen könnte, weil der ja auch im nächsten Sommer nichts anderes zu tun gedenkt, als an Form und Größe zu verlieren. Man könnte mich beim nächsten Mal ja gleich so vorstellen: Die junggebliebene Frau Hackl, de­ren im Vorjahr gekaufter Badeanzug stets dazu neigt, an Form und Größe zu verlieren. Und dazu Ki­chern, bitte.

In Slowenien muss man, kauft man keine Vignette fürs Auto und dabei erwischt wird, „Busgeld“ zahlen, darauf weisen große Led-Anzeigetafeln auf der Autobahn hin. Ich erliege immer noch gerne der bizarren Vorstellung, in der Touristen aus ihren vignettenunbeflaggten Autos gezerrt und in Busse verfrachtet werden. Und apropos Bußgeld. Zuhause in Linz wurde in der Zwischenzeit bekannt, dass eher große, teure und städtebaulich wichtige Bauvorhaben ganz ohne ungefähre Vorstellung einer Fassade ein Preisgericht passieren können – und – höchst ernüchternd, weil aus bislang diesbezüglich unverdächtigen Ecken, dass man als Journalistin vor wirklich keiner Seite in der Wahrung der Objektivität si­cher ist und Manche vor recht wenig zurückschrecken, falls nicht der Inhalt gesendet wird, der genehm ist. Damit eines klar ist, Jungs: das ist zum Kotzen! Aber nun wird alles besser, danke schön Herbst, ein Dutzend Kleinparteien wollen meine Stimme, mein Fahrrad ist eines, das bestimmt keiner will, ir­gendjemand hat sich auf eine Fassade fürs Musiktheater geeignet, in den Tabakwerken wird noch Ta­bak gedreht, das Meer ist immer noch warm, mein Auto fährt und ist für ein halbes Jahr vor slowenischem Busgeld sicher, langärmelige Blusen tun das, wozu Badeanzüge einfach nicht in der Lage sind … unbestreitbar neigt also auch dieser Sommer dazu, an Form und Größe und vor allem an Er­nüch­te­rung zu verlieren.

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